IMBERT
Heilsberg – Der Garten der Lüste
‹Anal› ‹Slut› – Brandmarkung auf einem Dutzend geschändeter Frauen. Bis in den bestialischen Tod hinein.
Entführung von Imberts Schwager und seiner Nichte.
Ein Netzwerk faschistoider Fanatiker, Alt-Nazis aus Italien, Frankreich und Chile in der Wiedervereinigung eines neuen 1000-jährigen Reiches.
Gravierende Aspekte, die auf einen gewaltsamen Tod seiner Frau hinweisen.
Sein Bruder vor einem Lebensbekenntnis.
Der neue Imbert reißt hin, nimmt mit, bewegt und hat einiges an Kurzweile zu bieten. Werden Sie Teil davon!
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Leseprobe
Contessa del Vecchio
MÂCON, Donnerstag, 8.4.2021 16.20h
Imbert ließ sich vom Taxi zurück nach Mâcon bringen, genauer gesagt zu einem der großen Supermärkte an der Rue Louise Michel. Er bat die junge Taxifahrerin, auf ihn zu warten, und begab sich schnellen Schrittes in den Supermarkt. Dort kaufte er neben einer Flasche Grand Marnier auch eine kleine Tüte Amaretti di Saronno und rannte erneut schnell zurück zum Taxi.
Die Adresse lag am Impasse des Buis etwas außerhalb des Innenstadtrings von Mâcon. Sie erreichten die Adresse nach knapp acht Minuten Fahrtzeit. Die Fahrerin schaute leicht verärgert, als Imbert mit Kreditkarte bezahlte. Ihr Blick wurde aber sofort wieder freundlich, als er ihr eine zehn Euronote als Trinkgeld zusteckte.
«Monsieur, möchten Sie, dass ich hier auf Sie warte?»
Imbert überlegte kurz.
«Nur, wenn Sie keinen Ruf bekommen. Geben Sie mir Ihre Nummer, dann rufe ich Sie an, sobald ich hier fertig bin.»
Die Taxifahrerin lachte laut auf.
«Monsieur. Ich bin nicht blöd, ich gebe meine Rufnummer nicht an einen Wildfremden heraus. Die Zeiten sind vorbei – leider.»
Imbert nickte, gab ihr anstelle dessen seine Visitenkarte und bat sie, ihn in einer Stunde anzurufen.
Von außen sah man dem Haus sein Alter, aber auch die Qualität an, mit der es gebaut worden war. Die sieben vier Meter breiten Stufen, welche sich zum Eingang hin auf gut zweieinhalb Meter verjüngten, waren aus geriffeltem Carrara Bianco Marmor geschlagen. In Ermangelung einer Klingel benutzte Imbert den Türklopfer aus Messing, der einen mystischen Fisch darstellte, wartete geduldig und schaute sich genauer im Vorgarten um. Eine Ansammlung diverser kleiner japanischer Ahornbäume, allesamt korrekt in Gneisbeeten angeordnet, bestimmten den äußerst korrekten Eindruck auf der Vorderseite des Hauses. Er fragte sich, wo wohl der Apfelbaum stehen möchte.
Nach einer guten Minute öffnete sich die Tür einen kleinen Spalt. Eine weibliche Stimme, die gleiche, wie am Telefon, fragte nach seinem Begehr.
«Directeur Auguste Imbert, IGPN Gap. Contessa del Vecchio, wir hatten vor einer guten Stunde telefoniert.»
«Kommen Sie herein, bitte, Directeur.»
Die Tür wurde geöffnet, Imbert betrat den Eingangsbereich. Vor ihm stand eine ältere Frau, um die 70 Jahre. Ihre kurzgeschnittenen grauen Haare verliehen ihr etwas Jugendhaftes, sicherlich war die Investition in einen guten, sprich mutigen Frisör sinnvoll gewesen. Das Gesicht war geprägt von zwei markanten Augenbrauen, die sich jeweils scharf und markant abhoben. Der rote Lippenstift, vielleicht ein Rouge Allure von Chanel, war gekonnt über zwei schmale Lippen gezogen und ließ keinen Zweifel an einer gewissen Herkunft aufkommen. Contessa del Vecchio war schlank und großgewachsen. Sicherlich hatte sie in ihrer Jugend die einen Meter achtzig Größe locker erreicht. Jetzt war ihr Rücken leicht gebeugt, was sie dennoch nicht davon abhielt, sich in einer nur in bestimmten Kreisen beigebrachten Art zu bewegen. Sie deutete nach links und bat Imbert, in den Salon einzutreten.
«Directeur, …»
«Contessa, bevor ich es vergesse. Ich habe mir erlaubt, Ihnen eine Kleinigkeit mitzubringen», er überreichte ihr die Amarettini und die Flasche Likör.
«Ah, quel delectat. Amaretti di Saronno …»
«Wie Sie sicherlich wissen, Contessa, handelt es sich bei den Makronen um ein Konfekt, welches schon von den persischen Schahs des zweiten persischen Großreichs zur Einleitung des Neujahrs verzehrt wurde …»
«Ja, sicherlich. Wer weiß das nicht?», die Contessa sah Imbert erstaunt und prüfend an. «Womit kann ich Ihnen dienen? Denn Sie besuchen eine alte, auf den Tod wartende Dame nicht aus reiner Nächstenliebe.»
«Auf den Tod wartend?»
«Seit mein Gemahl, Maître del Vecchio, dahingeschieden ist, ist vieles nicht mehr so, wie ich es eigentlich vorfinden möchte. Ich mag nicht mehr.»
Imbert nickte, sah sich um. Der weiße Salon, oder eher der roséfarbene Salon war stilsicher eingerichtet. Auf der linken Seite war eine Sitzgruppe aus hellfarbenen Leder, einer Tönung zwischen beige und weiß, aufgestellt. Sicherlich ein Relikt der Bauhaus-Jahre, aber nichtsdestotrotz immer noch elegant und einladend. Imbert setzte sich unaufgefordert, ließ seinen Blick schweifen. An den Wänden hingen alte französische Meister, unter anderem ein Valentin de Bourgogne ‹La Diseuse de Bonne Aventure›, aber auch und irgendwie verstörend, eine sogenannte Propagandakarte aus dem Dritten Reich, wie auch ein Kunstdruck einer schwarzweißen Postkarte, auf der der Spruch ‹nicht Du bist der Maßstab, sondern die Front› aufgedruckt war. Imbert verstand jetzt sofort die Worte ‹dieser Geruch von …›, welche die Contessa im Telefonat verwendet hatte.
«Contessa, lassen Sie mich versuchen zu erklären, weshalb …»
«Directeur, was kann ich für Sie tun? Kein langes Herumgeplänkel. Sie fragten nach Einsicht. Die kann ich Ihnen gerne geben. Keiner der Kollegen meines verstorbenen Manns war bereit, seine Urkunden, Dokumente und Rollen zu übernehmen …»
«Wie alt war der Maître? Es muss doch eine direkte Beziehung», Imbert deutete auf die beiden Propagandabilder, «eine offensichtliche Querverbindung geben zu diesen, ehem, …», er räusperte sich verlegen.
«Nazis? War es dieses Wort, welches Ihnen nicht über Ihre wohlerzogenen Lippen kommen wollte? Mein Mann war zweiundzwanzig Jahre älter als ich, er ist mit 92 Jahren verstorben. Und er war glühender Anhänger eines demokratischen Neo-Nationalismus italienischer Prägung …»
«Contessa, entschuldigen Sie. Meine Zeit ist leider sehr knapp bemessen. Ich benötige Einsicht in diverse Notarsrollen und angehängte Dokumente. Können Sie mir dabei behilflich sein?», Imbert wollte sich nicht in eine Diskussion über Nationalisten und andere extreme Gruppen hineinbegeben. Was die Contessa offensichtlich sofort erkannte und akzeptierte.
«Directeur, ich weise Ihnen den Weg in die Diensträume meines Mannes. Sie werden sich dort sofort zurechtfinden, da bin ich mir sicher», ohne eine weitere Reaktion abzuwarten, war sie auf dem Absatz umgedreht, um Imbert in einen anderen Flügel des Anwesens zu führen. Er stand auf und folgte ihr. Sie öffnete eine mit feinem Holzschnitt verzierte Tür und bat ihn, hereinzutreten. Es handelte sich um einen Raum mit wahrscheinlich vier mal acht Metern Innenmaß. Zuvorderst stand ein einfacher Schreibtisch. Offensichtlich hatte hier die Sekretärin gesessen, die in diesem Raum auch das Archiv verwaltet hatte. An den Wänden hingen, in fünf Reihen übereinander Aktenordner, die mit einem Ordnungssystem, bestehend aus beginnendem Buchstaben und drei folgenden Ziffern, versehen waren.
Imbert sah sich um, schüttelte den Kopf. Noch bevor er etwas sagen konnte, sprach die Contessa.
«Keine Sorge, junger Mann. Es gibt vier ausführliche Listenverzeichnisse, sortiert nach Klienten im Alphabet, sortiert nach Schlagworten, sortiert nach Katasternummern und sortiert nach Projekten.»
Imbert atmete erleichtert auf, als er die erste Liste betrachtete. Diese war minutiös und nahezu perfekt geführt. Es gab im Anhang sogar eine Liste der vorgenommenen Änderungen samt Datum und Kurzbeschreibung.
«Wer bitte hat diese Listen geführt? Das ist fabelhaft!», kam es ihm schließlich über die Lippen.
«Nun, nicht alles, was das braune Gesocks gemacht hat, war schlecht. Bis in den Tod hinein Organisieren, das konnten die. Nicht wahr?», sie hüstelte.
Imbert drehte sich um, war doch die Gehässigkeit in den gesprochenen Worten unüberhörbar. «Entschuldigen Sie, ich habe diese Worte nicht verwendet, Contessa …»
«Nein, dazu sind Sie zu gut erzogen, wie ich sofort bemerkt habe. Aber ich habe mir erlaubt, diese Worte ins Gefecht zu führen. Mein Mann war ein Nazi der schlimmsten Sorte. Eine Hitlerbazille erster Güte. Ein durch und durch indoktrinierter Rechter der schlimmsten Art. Und», sie stockte für einen Augenblick, «er war ein Mann, der sich liebevoll um die Seinen kümmerte. Der sensibel auf alles reagierte, was in seiner Familie und in seinem Freundeskreis geschah. Der verlässlich und belastbar war. Einmal ein Wort gegeben, hat er es zeitlebens nie gebrochen. Dieser Mann hat mich geliebt. Er hat mich trotz dem hier geehelicht und keinen Tag seines Lebens mißachtet oder gedemütigt», sie zog eine goldene Kette hoch, die sie unter ihrer Bluse trug. Als Anhänger kam der Davidstern hervor. Zwei ineinander verschlungene Dreiecke. Das eine der beiden Dreiecke war mit kleinen Diamanten belegt, während das andere Dreieck hochglanzpoliert war.
Imbert schluckte, war sichtlich gerührt.
«Sie sehen, Directeur, jede Medaille besitzt ihre zwei Seiten», die Contessa sah ihn mit weit geöffneten Augen an. Die blitzten. Waren auf einmal voller Leben.
«Sie brauchen sicherlich eine Stärkung, ich mache Ihnen jetzt einen italienischen Café, während Sie sich hier umsehen.»
In der folgenden halben Stunde suchte Imbert aufgrund der bei Sienne gefundenen Daten mehrere Dutzend Rollen und Dokumente heraus, photografierte sie und schickte sie sofort an sein Team.
Sein Telefon klingelte. Eine unbekannte Nummer. Er lächelte und nahm ab.
«Auguste, sind Sie bereit für eine weitere Tour?», eine kurze Pause, «Ich warte vor dem Anwesen.»