Albania

IMBERT

ALBANIA

 
 

 

 

Als fünfter Roman der Imbert-Serie ein Buch über die Anfänge.

Eine Dienstreise nach Albanien.
Unerwartete Zwischenfälle, die in einer Entführung kulminieren. Imberts verzweifelter Versuch, einen engen Mitarbeiter zu retten. Das Einlösen von Gefallen bei diversen sogenannten Freunden. Sein katastrophales Verhältnis zu seinem Präfekten.
Die Erkenntnis, es gibt doch noch den Wunsch nach Liebe tief in ihm. Rückkehr an Orte, die ihn tief bewegen.

Rückbesinnung. Rückgrat beweisen. Rückhalt gebend. Ein kleiner Einblick in die Tiefen des Directeurs.

amazon Kaufoptionen

Leseprobe

Prolog

Der linke Oberschenkel schmerzte höllisch. Das Blut schoss dem Körperpuls und Herzschlag entsprechend mehr und weniger aus der offenen Schusswunde heraus, welche die Arteria femoralis böse verletzt hatte. Die Blutlache, sicherlich schon mehr als ein halber Liter, wurde jede Sekunde zunehmend größer. Breitete sich unaufhörlich und ohne Erbarmen aus. Sein Hirn arbeitete dennoch. Wie verrückt. Sterben würde er, innerhalb der nächsten zwei oder drei Minuten. Das war ihm klar, wie auch es klar war, diesmal hatte er komplett überreizt; war erneut ein viel zu großes Risiko gegangen und würde jetzt dafür die finale Zeche zahlen. Mit seinem Leben. Er stand sozusagen direkt neben sich. Konnte sich selbst aus einer Art Vogelperspektive von oben herab beobachten.

Es war spannend, mit anzusehen, wie seine Erinnerung die Vergangenheit in Bruchteilen von Millisekunden abgraste und einzelne Details abarbeitete. Seine Kindheit. Halbwegs naiv und irgendwie unwissentlich behütet verbracht. Keine sozialen Brennpunkte. Die gab es ja nur in der entfernten Nachbarschaft. Bei den Anderen. Er hatte als Junge nicht unbedingt die familiäre Wahnsinnsunterstützung während seiner Schulzeit erhalten. Sozusagen gar keine. Oder vielleicht sogar eher das Gegenteil. Klötze zwischen die Beine geschmissen bekommen. Hinterher sagte man ihm, er sei ‹insbesondere begabt›, was auch immer das bedeuten mochte. Studium und erste Erlebnisse im Leben. Seine von früher Jugend an vielen Reisen, sein unerwartetes empathisches Engagement für Tiere und Schutzbedürftige – genau in dieser Reihenfolge. Erst die Tiere, die keine Lobby hatten, dann die Menschen.

Stationen seiner Polizei-Karriere. Montpellier, Lille, natürlich Paris. Geboren, um Karriere im Geflecht der französischen Kaderschulen zu machen. Sciences Po und École Nationale d’Administration in Strasbourg. Was ihm aber rein gar nicht gefallen hatte und seiner von Dritten, sprich seinen Eltern, so sorgfältig vorhergeplanten politischen Karriere in der Pariser Politelite ein vorzeitiges und abruptes Ende beschert hatte.

Es waren viele spannende Gedanken, die ihm durch den Kopf schossen, leider aber irgendwie im falschen Moment. Er schaute sich um. Wollte er tatsächlich überleben, und ja er wollte, natürlich wollte er, so musste er jetzt und hier klar handeln. Aber gleichzeitig die offen pulsierende Wunde abzubinden und sich gegen die beiden Gegner zu behaupten, würde ziemlich sicher nicht funktionieren. Die Gegner ließen ihm kaum Zeit zum Nachdenken. Alle paar Sekunden schlugen Kugeln ihrer AK-47 Sturmgewehre ein. Kaliber 5,45×39mm. Eine davon saß in seinem Oberschenkel. Arteria femoralis. Er fluchte. In reinstem Südfranzösisch. Was einen Euphemismus erster Güte darstellt. Er hatte nur eine dieser schmalspurigen Sig SP 2022 Halbautomatiken. Das war eine tolle Waffe im direkten, engen Combat, im Häuserkampf, oder eins zu eins, aber wirklich rein gar nichts gegen die gasdruckgeladenen Kalaschnikows. Und er spürte, wie ihm langsam aber sicher die Sinne schwanden. Mors reptile. Der Tod kriecht.

Ein Klavierkonzert jagte final durch seinen Geist. Ashkenazy auf einer der Klaviersonaten von Beethoven. Sonata No.15 in D major, Opus 28 war es wohl. Wie sehr er doch gerade diese Musik liebte. Und so vieles mehr. Es war Genussmensch durch und durch. Ihm wurde schummerig vor Augen.
Das Letzte, woran er sich irgendwie noch vage erinnerte, war der besorgte Blick von Capitaine Romaine Fresne-Saint-Mamès. Ihre durch und durch braunen, großen Augen blinzelten ihn verzweifelt an. Und er meinte auch noch ein,
«Auguste. Wachbleiben! Ich brauche Dich! Ich liebe Dich!», zu hören.

Dann wurde ihm dunkel, tiefschwarz, vor den Augen, kein weißer Tunnel am Ende, aber er verlor definitiv die Besinnung. Für längere Zeit.